top of page

Wellen

Aktualisiert: 28. Aug. 2024


Wellen
Wellen

Wie wäre es, wenn wir uns erlauben, dass da einfach auch Zeiten sind, bei denen die Aussicht nicht die Beste, das Gewicht nicht das idealste, die Kinder nicht die bravsten, das Gehalt nicht das Höchste, die Gesundheit nicht die Intakteste, die Stimmung nicht die blendendste und das Erscheinungsbild nicht das entzückendste ist, wir schlicht und einfach nicht den eigenen Ansprüchen nach Perfektion entsprechen?

Ich bemerke immer wieder, dass der Wunsch nach Perfektion, nach dem Moment, wo alles passt, manchmal im Weg steht dabei zu genießen was da ist.


Wenn wir uns unsere Gesellschaft anschauen, dann sind es die, die auf einer Welle reiten, die als die Erfolgreichen eingestuft werden, weil sie genug Fertigkeiten darin haben, um die Welle zu nehmen, sie zu nutzen. Und wenn man sich in dieser Gesellschaft zeigt, dann bitte nur in diesen Momenten.


Ich habe in meinem Leben festgestellt, dass es Hochs und Tiefs hat. Mein Leben verläuft in Wellen.

Aber wer sagt denn, dass man die Tiefs nicht genießen darf, sind sie doch genau so Teil unseres Lebens. Es gibt dafür verschiedenste Bilder. Was wäre eine Achterbahn ohne die steilen Strecken nach unten? Was wäre das Licht ohne den Schatten, was wäre die Sonne ohne den Regen, der Tag ohne die Nacht? Was wäre das Meer ohne Wellen? Was wäre das Leben ohne Hochs und ohne Tiefs? Ich glaube, dass das Leben genau in der Imperfektion stattfindet. Die Frage ist nur: lass ich mich mitreißen von der Welle? Lass ich mich von ihr hinunter drücken? Nehme ich sie um auf ihr zu reiten? Die Frage ist doch: wie gehe ich damit um. Wer das Meer liebt, lernt es einzuschätzen und mit ihm zu spielen aber eine erfahrene Surferin/ ein erfahrener Surfer wird nicht bei jedem Wetter hinausgehen.


Wenn ich im Surfen keine Erfahrung habe, so sollte ich vielleicht mal mit kleinen Wellen anfangen. Ich werde paddeln müssen, meine Arme trainieren, damit ich überhaupt auf die See hinauskomme. Ich werde mein Gleichgewicht schulen, das passiert ganz automatisch, wenn der „Boden“ unter mir sich bewegt. Ich werde kentern, weil ich noch zu wenig Übung habe, aber sofern ich Spaß daran habe und mir nicht zu kalt wird und ich keine Angst vor Sonnenbrand haben muss, werde ich wieder aufsteigen, solange es meine Muskeln mitmachen, weil es sich nach Leben anfühlt. So werde ich - ohne es zu merken - meine Balance schulen, meine Muskeln stärken, lernen die Wellen zu reiten. Ich werde die Erfahrung machen, in welchem Moment ich aufstehe und ich werde die Erfahrung machen, wie es ist unter Wasser gerissen zu werden. Ich werde lernen das Wetter einzuschätzen, und wann es sich mit meinen bisher erlangten Fähigkeiten lohnt das Equipment herauszuholen und mich in die Wellen zu stürzen. Ich werde lernen mit Misserfolgen umzugehen und mein Durchhaltevermögen trainieren.

Und vielleicht werde ich eines Tages auf das Meer blicken und mir denken: wow, heute ist es sehr ruhig. Warten wir mal auf morgen, vielleicht sind dann die Wellen wieder größer.

Was ich sagen will ist: Wir wachsen an unseren Herausforderungen, wenn wir ihnen den Schrecken nehmen. Nein, eine unerfahrene Surferin/ ein unerfahrener Surfer sollte nicht bei starken Wellen anfangen zu üben, ebenso wie eine erfahrene Surferin/ ein erfahrender Surfer weiß, dass sie/er bei einem Orkan besser zuhause bleibt. Aber jeder Mensch, der anfängt zu surfen, und das in einem Bereich, in dem sein jetziges Können ausreicht, um auch gute Erfahrungen zu machen, wird spielerisch dazulernen und - ganz nebenbei - neben dem Spaß den der Moment bringt, seine Fähigkeiten schulen. Möglicherweise wird er einen anständigen Muskelkater mit einem Lächeln auf dem Gesicht bei der Erinnerung an die farbenfrohen Momente in Kauf nehmen.

Und vielleicht geht es auch garnicht darum dazuzulernen, sondern einfach um das Erleben an sich, um die Neugierde auf das Leben denn das Leben passiert in der Imperfektion

Alles Liebe,

Larissa Lehmann

PS: Es gibt hierzu ein süßes Comic von Sarah Andersen, das ich Dir hier gerne verlinke. Der Gedanke daran hat mir persönlich schon so manches Lächeln beschert.

 
 
bottom of page